Freitag, 2. Dezember 2022

Im Kino: Bones And All

Luca Guadagnino inszenierte hier – in Anlehnung an einen in 2016 erschienenen Roman der US-amerikanischen Autorin Camille DeAngelis - einen in diversen US-amerikanischen Bundesstaaten spielenden Film, der in den 1980er Jahren angesiedelt sein soll und der zu gleichen Anteilen Motive aus Coming-of-Age-/Liebesgeschichte, Road Movie und Horrorfilm miteinander verschmilzt. 

Das ist gekonnt und auch erzählerisch überzeugend gemacht. Darin liegt wohl die Kunst. 

Es geht hier um Menschen mit kannibalistischen Trieben, die versteckt bzw. unerkannt zwischen normalen Menschen ihr Außenseiterleben leben oder auch von ihnen versteckt werden, weil es beispielsweise die Tochter ist, die schon in frühen Jahren die Babysitterin verspeiste. Road Movie ist es deshalb, weil Ortswechsel nach einem katastrophalen Ereignis oder einem Fressmord anzuraten sind. 

Im hier vorliegenden Fall verlässt der Vater die Tochter, nachdem diese einem Mädchen während einer Party einen Finger abgebissen hat. Er hinterlässt auf einer Kassette Hinweise auf den Verbleib der ihr unbekannten Mutter, so dass sich die Tochter auf die Suche begibt. Sie trifft dabei andere „Eater“, die sich riechen können und tut sich mit einem jungen Mann zusammen, der ihr bei der Suche hilft. 

Im Grunde ist der Film eine Abwandlung des Vampirmotivs, in dem schon ziemlich viele Varianten durchgespielt sind - nur wird hier kein Blut gesaugt, sondern Fleisch gegessen. Es gibt einige Schockszenen, zu denen sicherlich auch die Szene mit dem Finger gehört. 

Auch den überzeugend agierenden Schauspieler*innen verdankt der Film, es ins Kino geschafft zu haben. 

Ein bisschen wie eine weitere Arthouse-Antwort auf Stephanie Meyers Vampirromanze Twilight, und damit genauso naiv, einfältig und dennoch wunderschön wie die erste Liebe selbst“, meinte moviebreak.

Montag, 28. November 2022

Im Kino: The Menu

Mark Mylod's Horrorfilm nimmt die hochpreisige Gastronomie mit ihren Sitten und Gebräuchen auf's Korn. Man könnte sagen, das sei überfällig, aber ich vermute, dies ist nicht der erste Film dieser Art, vielleicht aber einer der wenigen, die es ins Kino geschafft haben.

Etwa ein Dutzend reicher Leute nimmt die Einladung zu einem besonderen gastronomischen Erlebnis an. Es geht auf ein Schiff und dann auf eine kleine Insel. Unter den Gästen ist eine nicht angemeldete Frau, die ersatzweise für eine abgesprungene Partnerin des Mannes einspringt. 

Das Menu wird in diversen Gängen serviert. Doch der Chefkoch will Schluss machen – mit sich, seinem Küchenteam und mit den Gästen. Als sich ein Mann aus dem Küchenteam vor aller Augen erschießt und dies als besonderer Menugang vorgestellt wird, ahnen die Gäste, dass sie nicht mehr lebend von der Insel kommen werden. 

Als Edel-Gastromie-Horrorfilm mit hochkarätiger Besetzung zelebriert der Film visuell durchaus ansprechend diverse Gerichte und Küchenrituale, es fehlt ihm meiner Meinung nach jedoch an Atmosphäre und auch an Logik. 

Inspiriert mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu, nach dem Kinobesuch einen Burger mit Pommes essen zu gehen“, meint kino-zeit.

Sonntag, 27. November 2022

Im Kino: Rheingold

Fatih Akin erzählt nach einem autobiographischem Buch von Giwar Hajabi (Xatar) ziemlich episch Schlüsselszenen aus dessen Leben. Die Erzählung setzt schon sehr früh an, noch vor seiner Geburt (1981) in den iranisch-syrisch-türkischen Siedlungsgebieten, wo blanker Terror herrscht und der Protagonist in einer Höhle geboren wird, während draußen Kampfhandlungen stattfinden. Es gibt hier eindringliche, auch brutale Szenen. 

Die Eltern fliehen schließlich nach Bonn, doch sie trennen sich früh. Als junger Mann und Drogenhändler muss er sich durchsetzen, nimmt Kampfsport-Unterricht und schaltet eine Gang aus. Die Drogengeschäfte zwingen ihn jedoch, sich nach Amsterdam abzusetzen. Bei den dortigen kriminellen Geschäften kommt es jedoch zu einer Panne, bei der das Kokain verloren geht. Das bringt ihm hohe Schulden ein, so dass er mit Kumpanen in Deutschland einen Goldtransport überfällt. Sie müssen fliehen, werden jedoch später ausgeliefert. 

Im Knast beschäftigt er sich kompositorisch mit der Rap-Music und kann dank Beziehungen nach außen noch dort seine erste CD herausbringen lassen. 

Ein episodenhaft daherkommender, augenzwinkernder Gangsterfilm“, meint epd-film. Das trifft es schon ganz gut. 

Normalerweise würde ich mir so eine Geschichte gar nicht unbedingt ansehen, aber Akin kann eben inszenieren und findet oft die richtigen Bilder, die hier fast ausschließlich in einem abgeschotteten, authentisch wirkenden arabisch-kurdischen Milieu spielen.

Samstag, 26. November 2022

Bücherwelten: Lavie Tidhar's Roman „Central Station“

Der preisgekrönte SF-Roman (2016) des in Israel aufgewachsenen Autors spielt in Tel Aviv. Dort gibt es einen Raumflughafen, der neben den alten Vierteln kilometerhoch in den Himmel ragt. Ansonsten wirkt alles etwas marode in der Stadt, es gibt Ruinen, etwa die Hochtrassen alter Autobahnen. 

Tel Aviv ist Treffpunkt der Rassen und Kulturen. Längst sind die Grenzen zwischen biologischem Leben, Maschinenleben und virtuellem Leben verschwommen. Hinzu kommt außerirdisches Leben. Alles läuft in der Stadt herum, auch halbintelligente, ausrangierte Robots, die nach Ersatzteilen für sich selbst suchen. Aber auch die Menschen suchen nach biologischen oder mechanischen Ersatzteilen oder nach Aufrüstung ihres Hirns. 

Die Handlung des Romans wird weitgehend von Außenseitern und gestrandeten Personen bestritten, die irgendwie zurechtkommen müssen, mitunter Marotten haben, beispielsweise alte Bücher und Heftromane aus Papier sammeln. Auch ein junges virusinfiziertes Vampir-Mädchen kommt vor, das zwar beißt, aber vor allem Daten absaugt. Es kommt von einem anderen Planeten auf der Raumstation an und kann bei dem alten Büchersammler in der Wohnung unterschlüpfen. 

Der Roman ist eine gelungene Mischung aus SF, Fantasy, Gothic- und Cyberspace. Den John W. Campbell Memorial Award gewann das Buch wahrscheinlich nicht nur wegen dieser gelungenen Mischung, sondern auch wegen des warmen empathischen Schreibstils. Herr Mader hat ihn gut übersetzen können. 

Angenehm unkonventionelle Science-Fiction erster Güte mit einem schillernden Figuren-Ensemble“, meint treffsicher der medienjournal-blog.

Sonntag, 20. November 2022

Im Kino: Tausend Zeilen

Michael Bully Herbig's Film arbeitet einen realen deutschen Fall von Fake-Reportagen auf, die auch in renommierten Magazinen wie dem Spiegel erschienen sind (zum Fall siehe wikipedia). 

Dem preisgekrönten Jounalisten kommt ein anderer Reporter, der hier gleichzeitig als Familienvater versucht, Job und Familie unter einen Hut zu bekommen, auf die Schliche. Doch die Chefetage will von seinen Beweisen nichts hören, sonnt sich im Erfolg des Magazins. 

Der Film ist relativ unterhaltsam, doch aus meiner Sicht wird zu sehr mit Schablonen und Stereotypen gearbeitet. Die Beziehungen zwischen den handelnden Personen wirken – auf der Berufsebene - oft zu oberflächlich mit einer Tendenz zur Überspitzung. 

Artechock spricht von „einer gnadenlosen Bissigkeit gegenüber bestehenden Hierarchien“, die der Regisseur entfaltet.