Samstag, 17. Dezember 2022

Sound-Welten (11/2022)

Ich habe bei spotify – nach längerer Zeit - wieder mal einige Alben geprüft. Am besten gefiel mir das erste Album von Dry Cleaning. Ich habe es gekauft (was nicht bedeutet, dass es auch geliefert wird). 

The Alan Parsons Symphonic Project. Album: Live in Colombia (2016). The Alan Parsons Project, eine britische Band, die Alben zwischen 1977 und 1987 veröffentlichte. Von Alan Parsons gibt es unter seinem Namen aber auch noch spätere und neue Alben in anderer, zum Teil aber auch ähnlicher Besetzung. Die ersten 3 Alben des Alan Parsons Project hatte ich 1978 gekauft. Dieses Live-Album, wahrscheinlich in großer Besetzung inszeniert, ist ziemlich gut, versammelt auch einige alte Songs wie „The Raven“, die mir besonders gefallen. In späteren Veröffentlichungen wurde das Alan Parsons Project oft „kitschiger“, konnte aber bis 1985 seinen Top-1-Status in den deutschen Charts halten - und das merkt man natürlich auch in diesem Live-Album, das doch eine Werkschau ist und auch schwächere Songs enthält. SHR: 37 T – 429 T. WD: 191/day. 

Birth Control. Album: Open Up (2022). Von dieser deutschen Krautrock-Band kaufte ich in den 1970er Jahren vier Alben. „Gamma Ray“ aus dem 1972er-Album „Hoodoo Man“ war ihr größter Erfolg. Ich sah sie damals auch mal live. Von ihrem Schaffen nach 1976 bekam ich nichts mehr mit. Es gab zwei mehr als 10-jährige Auszeiten, bedingt durch durch den Tod der bedeutendsten Band-Mitglieder. Ihr neues Werk dürfte Studio-Album No. 17 sein. Man hört dort 70er-Jahre-Rockmusik in bis zu 10-minütigen Songs, aus meiner Sicht jedoch ohne fesselnde Höhepunkte. Bemerkenswerterweise schafften sie es mit diesem Album auf Platz 90 der deutschen Charts (lt. wikipedia waren sie zuvor noch nie in den Charts). SHR: 2 T – 14 T. WD: 149/day. 

Case/Lang/Veirs. Album: Case/Lang/Veirs (2016). Die Zusammenarbeit dieser solo bereits sehr erfolgreichen, kanadisch-US-amerikanischen Ladies währte bislang nur dieses eine Album lang. Es ist ein anspruchsvolles Singer-/ Songwriterin-Folk-Album geworden, das lange nicht bei spotify zu finden war. Dennoch glaube ich nicht, es heute noch haben zu müssen. Nicht alle Songs überzeugen mich, manche sind zu mainstreamig und fast alle Songs sind < 4 min lang. SHR: 512 T – 7.069 T. WD: n.v. 

Dry Cleaning. Alben: New Long Leg (2021) // Stumpwork (2022). Erstes und zweites Album einer britischen Band mit Lady am Micro, deren Musik als „Post-Punk zwischen Indie-Rock und Psychedelic Rock“ beschrieben wird. Es gibt also sozusagen Störgeräusche im Sound, der dennoch ziemlich interessant und manchmal nicht nur ruppig, sondern auch minimalistisch oder melodisch ist. Tendenziell ist das erste Album aus meiner Sicht besser. SHR: 616 T – 6.120 T // 114 T – 1.026 T. WD: 14/day. 

Emily Jane White. Album: Alluvion (2022). Siebtes Album einer US-amerikanischen Singer-/Songwriterin, die ich anfangs mal gut fand und ihre beiden ersten Alben kaufte (2009/10). Aus meiner Sicht ist ihr Sound jedoch zu glatt/kitschig/mainstreamig geworden. SHR: 17 T – 156 T. WD: n.v. 

Infinitome. Album: Beyond the Beyond (2022). Zweites Album einer wohl weitgehend gänzlich unbekannten US-amerikanischen Symphonic-Progressive-Rock-Band. Instrumental, pompös, kompositorisch oft zu glatt, insgesamt nicht so mein Ding, manchmal gefällt das Saxophon. SHR: 1 T. WD: n.v. 

SHR = Spotify-Hörer-Relevanz in 1.000 Zugriffen (= 1 T) je Song. Indikator für relative Bedeutung im weltweiten Raum. 

WD = Anzahl der de.wikipedia-Seitenaufrufe zur Band/Künstlerin pro Tag (als 90-Tage-Mittel), n.v. = keine deutschsprachige wikipedia-Seite vorhanden. Indikator für relative Bedeutung im deutschsprachigen Raum. Die Zahlenangaben beziehen sich auf den Zeitpunkt meines letzten Zugriffs.

Im Kino: An einem schönen Morgen

Mia Hansen-Løve, die bereits den schönen Film „Alles was kommt“ (2016) inszenierte, erzählt in ihrem in Paris spielenden Film von einer Frau (Léa Seydoux) und ihrer Tochter und ihrem Leben. Sie ist als Synchron-Dolmetscherin tätig, hat ein ausgewachsenes Problem mit ihrem zunehmend senilen Vater und nebenbei noch eine Liebesbeziehung zu einem verheiratetem Astrochemiker. 

Der Vater muss in eine Seniorenheim, die Wohnung – voll mit Büchern – aufgelöst werden. Der Film pendelt zwischen den zwei Wohnungen des Vaters und der Frau, ihrem Arbeitsplatz, Spaziergängen mit Freund und Tochter und diversen Seniorenheimen, in denen der Vater zunächst immer nur zeitweise bleiben kann. 

In der Realisierung ist es ein typisch unaufgeregter sozialrealistischer französischer Film frei von jeder Künstlichkeit – wie aus dem Leben gegriffen. 

Hansen-Love braucht keine Establishing Shots für ihre Szenen, weil sie gar nicht anders kann, als das Leben, das sie beguckt, als bereits etabliertes zu denken, das weiterläuft, immer weiterläuft. Keine Figur, in der das Drama ablaufender Lebenszeit nicht schon eingerechnet wäre“, meint critic.

Sonntag, 11. Dezember 2022

Im Kino: Zeiten des Umbruchs

In seinem autobiographisch gefärbtem New-York-Film erzählt der Regisseur James Gray von der Kindheit eines Jungen in den 1980er Jahren. 

Die Geschichte hat einen melancholischen Touch. Der Junge ist nicht so wirklich zufrieden, genervt von der Schule, seinem Bruder und den Eltern. Er freundet sich in der Schule mit einem schwarzen Jungen an. Sie sind zu Streichen aufgelegt, doch als sie auf der Schultoilette beim Marihuana-Rauchen erwischt werden, wird es ernst für beide. 

Eine wichtige Rolle im Film spielt noch der Opa (Anthony Hopkins), zu dem sich der Junge hingezogen fühlt und der ihm manchmal von der ukrainisch-jüdischen Vergangenheit der Familie erzählt. Doch nach dem Vorfall in der Schule beschließt die Familie, den Jungen auf eine Elite-Schule zu schicken, womit sein Leben in Freiheit arg eingezwängt wird, erkenntlich schon an den Uniformen mit Schlips und Kragen, die die Jungen dort tragen müssen. 

Der Großvater stirbt bald, die Unzufriedenheit beim Jungen wächst. Er trifft noch manchmal seinen alten schwarzen Freund, doch er bemerkt zunehmend den Alltagsrassismus und die ungleiche Chancenverteilung. 

Gemeinsam beschließen sie, nach Florida zu fliehen. Um an Geld zu kommen, stehlen sie nachts einen Computer aus der Privatschule. Doch der Verkaufsversuch in einem Laden scheitert, der Mann dort ruft die Polizei. Damit wird das Ende ihrer Freundschaft eingeleitet. 

Bei aller Wertschätzung für die behutsame Inszenierung und das facettenreiche Drehbuch ist unbestreitbar, dass der Film auch und vor allem von einigen starken Schauspielleistungen lebt“, sagt kino-zeit.

Mittwoch, 7. Dezember 2022

Im Kino: Call Jane

Phyllis Nagy erzählt in ihrem Film von einer US-amerikanischen Selbsthilfegruppe, die zwischen 1968 und 1973 mit dem Ziel existierte, Frauen den meist illegalen Schwangerschaftsabbruch zu ermöglichen. Hierbei ging es nicht etwa um Rechtsberatung, sondern um die faktische Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs und dessen Organisation. 

Die Regisseurin nimmt sich hier eines sehr wichtigen Themas an, da viele Regierungen, politische und kirchlichen Organisationen sowie weite Teile der Weltbevölkerung auch 50 Jahre später (und einige Milliarden Menschen mehr) nicht begriffen haben, dass mehr als genug Menschen auf der Welt leben, die Zerstörung der Umwelt katastrophale Ausmaße angenommen hat und Frauen ein Selbstbestimmungsrecht haben sollten. 

Wie immer ist bei solchen Filmen schwierig zu beurteilen, was Wahrheit und was Fiktion in der Geschichte ist. Der Film lebt davon, dass eine engagierte Bürgerrechtlerin (Sigourney Weaver) einer Frau aus gutsituiertem Hause (Elizabeth Banks) mittels ihrer Organisation einen Schwangerschaftsabbruch ermöglicht, nachdem dieses trotz gewichtiger Gründe keine Zustimmung von einem Ärztegremium bekommen hat. Wenig später kann sie diese Frau auch als aktives Mitglied der Organisation anwerben. Schließlich wird sie sogar Assistenzkraft bei dem erpressbaren „Arzt“ und lernt, selbst die Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, womit diese deutlich preiswerter und viel häufiger angeboten werden können. 

Der Ehemann der Frau, selbst Strafverteidiger, fällt aus allen Wolken, als die Polizei bei ihnen auftaucht, dachte er doch bisher, seine Frau könne bestenfalls kochen und putzen und ein paar seiner Texte Korrektur lesen (aber Schwangerschaftsabbrüche durchführen??). 

Es war jedoch nicht die Polizei (interessante Szene), die die Auflösung der Organisation bewirkte, sondern die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs (heute wieder aufgehoben) einige Jahre später. 

Der Film ist relativ nüchtern in Szene gesetzt. Dies kann jedoch auch als Pluspunkt (Authentizität) gewertet werden. Auch die Settings der Zeit um 1970 wirken sehr authentisch. Preisverdächtiger sind allerdings aus meiner Sicht die Hauptdarstellerinnen oder das Drehbuch.

Dass sich die Geschichte nun wiederholt, sollte uns klar machen, wie wichtig es ist, dass Filme wie dieser an Vergangenes erinnern, um uns eine Orientierung fürs Heute und Morgen zu bieten“, sagt kino-zeit. Wohl wahr.

Montag, 5. Dezember 2022

Im Kino: Die stillen Trabanten

Aus Short Storys von Clemens Meyer hat Thomas Stuber einen respektablen, überwiegend in Leipzig angesiedelten Film inszeniert. Die drei Episoden, die in stetigem Wechsel fortentwickelt werden, hängen nur lose zusammen. Sie handeln überwiegend von einsamen, „einfachen“ Leuten, die sich einer Frau annähern können und versuchen, sie mit der Zeit kennenzulernen. 

Diese Kontakte finden in einer Bahnhofskneipe, auf dem Flurbalkon eines Hochhauses und auf einem nächtlichen Spielplatz statt. Die Annäherungen sind sehr behutsam und führen nur bedingt zu einem greifbaren Ergebnis, denn die Frauen sind bereits psychisch verletzt und „auf der Hut“. 

Die Feinfühligkeit der Dialoge in Kombination mit vielen Szenen aus dem Arbeitsleben und einsamen nächtlichen Stunden in der Großstadt lassen einen sehenswerten Film entstehen, der allerdings wegen fehlender dramaturgischer Momente vielleicht etwas zu lang ist. 

Der zeigt, „wie sich auf ganz wunderbare Weise mehrere Lebensepisoden zu einer Aussage, einer Stimmung verbinden“, meint epd-film.