Samstag, 2. August 2025

Bücherwelten: Kazuo Ishiguro's Roman „Klara und die Sonne“

Der japanisch-britische Autor und Nobelpreisträger betritt mit seinem letzten Roman (orig.: Klara And The Sun, 2021) nicht zum ersten Mal fiktive Welten, denn auch der in 2011 verfilmte Roman „Alles, was wir geben mussten“ war bereits „visionär“. Bei Ishiguro ist es allerdings nicht so klar, ob die Geschichten in einer fiktiven Zukunft, in einer Parallelwelt oder in einer verfremdeten Gegenwart spielen. 

„Klara“ ist ein Android bzw. eine KI, die in eine Mädchenpuppe integriert wurde. Der Roman schildert, wie sie zunächst mit Anderen in einem Geschäft zum Verkauf angeboten wird und die Umwelt durch das Schaufenster beobachtet. Eine Mutter mit ihrer kranken Tochter kaufen sie schließlich und ihre Aufgabe soll sein, Gefährtin der Tochter zu sein, während die Mutter arbeitet. 

Sie leben ziemlich abseits, wo es nur wenige Häuser gibt. Klara lernt schnell dazu. Sie kommen ganz gut zurecht, doch die Tochter, die vermutlich an einem Gendefekt leidet, wird immer schwächer. 

Im Laufe des Romans wird deutlich, dass Klara die Tochter vielleicht auch für die Mutter ersetzen soll. Doch es kommt anders, und Klara verbringt ihre letzten Lebensjahre dann auf einem Schrottplatz. 

Die Geschichte wird aus Sicht von Klara erzählt, ist stilistisch schon sehr empathisch und durchaus auch merkwürdig, denn KI's schlussfolgern möglicherweise anders als wir Menschen und entwickeln vielleicht auch eine ganz eigene Religion, die in diesem Fall mit der Sonne zusammenhängt. 

Nun, aus meiner Sicht sicher ein guter Roman. Es könnte wohl so kommen wie angedeutet, nur wird die Einführung dieser KI-Modelle „etwas problematischer“ sein als jene der E-Roller in unseren Städten, da die „ewiggestrigen Strömungen“ in Politik, Religion und Gesellschaft stark sind oder sogar zunehmen. Auch einige unangemessene Romankritiken wie z.B. jene des Deutschlandfunks deuten bereits darauf hin – als wäre es Aufgabe eines Romans, auf ethische oder politische Gefahren hinzuweisen!? 

Mehr zum Inhalt des Romans kann man z.B. bei literaturkritik nachlesen.

Freitag, 1. August 2025

Sound-Welten (08/2025)

In letzter Zeit habe ich wirklich viele Alben geprüft, liegt auch am regnerischen Wetter. Gewinner dieser Prüfrunde ist Zinkl's Album „Lost Angels“. 

Swans. Alben: The Beggar (2023), Birthing (2025). 16. und 17. Studio-Album einer US-amerikanischen Post-Industrial-Band. Ihr Debüt-Album datiert von 1983. Ich selbst entdeckte sie erst mit ihrem fünften Album 1987 und habe nur zwei Alben, bin also kein echter Fan. Aber immerhin, in die Top 100 der Charts gelangte die Band erstmals im Jahr 2014, also Jahrzehnte später. Mit ihrem neuesten Werk schaffte sie es in Deutschland auf Platz 25, ihr bis dato hierzulande größter Erfolg. Es ist mal wieder - wie auch der Vorgänger - zwei Stunden lang, und die Mehrzahl der Kompositionen überschreitet die 15-min- Marke deutlich. Hört man was Neues? Nö, nicht wirklich, typisch Swans, oft endlose Drone-Trance-Kompositionen, manchmal unterbrochen von Stimmen oder klagendem Gesang oder auch mit hypnotisch, oft stoischem Drumming. Das ältere Album mag interessanter sein, es gab dort immerhin einige kürzere Songs mit mehr innerer Dynamik, sogar ein female/male-Duett. Aber echt, als Rentner möchte man den tendenziell eher depressiven Sound der Swans nicht mehr unbedingt hören. SHR: 132 T – 659 T // 90 T – 382 T. WD: 37/day. 

Tindersticks. Album: Soft Tissue (2024). Schon 16. Studio-Album dieser britischen Indie-/Kammermusik-Band mit manchmal opulent-orchestral-klagenden Songs. Ich habe zwei ältere Alben, bin also kein echter Fan. Dennoch gibt es manchmal ein paar gelungene Songs, auch auf dem neuen Album. In den letzten Jahren schafft es die Band meist in die Top 50 im deutsprachigen Raum. In England war sie hingegen nur in den 1990er Jahren erfolgreich. SHR: 205 T – 1.426 T. WD: 17/day. 

Venamoris. Zum ersten Mal geprüft. Album: To Cross Or To Burn (2025). Zweites Album eines US-amerikanischen Industrial-/Trip- und Art-Rock-Projekts mit Lady am Micro. Betreutesproggen hält es für „ein ergreifendes musikalisches Abenteuer“, lobt die stilistische Vielfalt. Mir selbst erscheint das Werk zu wenig „organisch“ und die Songs zu kurz. SHR: 2 T – 40 T. WD: n.v. 

WellBad. Zum ersten Mal geprüft. Album: Bad Habits (2023). Fünftes Studio-Album einer deutschen Rock-/Bluesrock-Band. Einzelne Songs finde ich ganz gut, manche sind mir allerdings stilistisch zu „bieder“ oder zu fröhlich in Szene gesetzt. Normalerweise bewegt man sich bei den Songs um die 3-min-Marke herum. SHR: 3 T – 126 T. WD: 5/day. 

Xixa. Zum ersten Mal geprüft. Album: Xolo (2025). Zweites Studio-Album einer US-amerikanischen Desert-Rock-Band im Dunstkreis der alten Bands Calexico und Giant Sand. Hat mich nicht mitgenommen. SHR: 4 T – 19 T. WD: 2/day. 

Zinkl. Zum ersten Mal geprüft. Alben: The Temptations of St. Anthony (2004), Lost Angels (2024), About Truth And Lies (2024). Deutscher Experimental-Elektroniker, der seit 1994 mindestens 15 Alben herausbrachte, die allerdings wohl früher fast nie auf spotify zu hören waren. Der Sound kann auf den bis über 20 min. langen Kompositionen des älteren Albums rythmisch, aber auch kitschig oder auch unruhig nervig und schräg werden und Brüche haben. Auf neueren Werken gibt es female/male Gast-Voices. Auch diese Gesangspartien können schräg wirken, manchmal wirkt allerdings die Elektronik schräger. Einen Underground-Status der oft eigentümlichen Musik kann man wohl attestieren, dennoch sind die neueren Werke wahrscheinlich deutlich zugänglicher. Das mit female vocals ausgestattete Album „Lost Angels“ hat auf einigen Stücken einen Gothic-Touch und gefällt mir auch aufgrund der eigentümlichen Gesangsstrukturen von diesen hier geprüften drei Werken vielleicht am besten. Wie alle neueren Werke ist es nicht als physisches Produkt erhältlich. 10 Alben werden auf den babyblauen Seiten besprochen, wer will, kann sich dort also kundig machen. Vermutlich werde ich demnächst noch weitere Alben prüfen. SHR: alle < 4 T. WD: n.v. 

SHR = Spotify-Hörer-Relevanz in 1.000 Zugriffen (= 1 T) je Song. Indikator für relative Bedeutung im weltweiten Raum. 

WD = Anzahl der de.wikipedia-Seitenaufrufe zur Band/Künstlerin pro Tag (als 90-Tage-Mittel), n.v. = keine deutschsprachige wikipedia-Seite vorhanden. Indikator für relative Bedeutung im deutschsprachigen Raum. 

Die Zahlenangaben beziehen sich auf den Zeitpunkt meines letzten Zugriffs.

Donnerstag, 31. Juli 2025

Im Kino: I Like Movies

Der Film der kanadischen Regisseurin Chandler Levack ist ein Coming-of-Age-Drama über einen narzistischen jugendlichen Filmfreak, das im Jahr 2001 kurz vor Ende der High School in einem Vorort Torontos spielt. 

Der Protagonist macht ab und zu kleine Filme mit seinem Freund, träumt von einer New Yorker Filmhochschule, muss aber realisieren, dass er und seine Mutter das Ziel ohne Förderstipendium nicht werden realisieren können. 

Einstweilen jobbt er nebenbei in einer Videothek. Obwohl er zunächst mit seiner Marktchefin gut klar kommt, eckt er mit seinem narzistischen Verhalten und seinen hemmungslos ehrlichen Meinungen jedoch überall an und bekommt schnell auch psychische Krisen, die ihn letztendlich auch seinen Job kosten. 

Der Film kann mit einer überzeugend authentisch agierenden Crew an Darsteller*innen und vielen Filmzitaten punkten, weniger jedoch mit den Filmlocations.

Eine gelungene Coming-of-Age-Geschichte eines selbsternannten Außenseiters, der lernen muss, dass man allein nicht wirklich weiterkommt“, meint epd-film.

Mittwoch, 30. Juli 2025

Im Kino: Leonora im Morgenlicht

In Anlehnung an einen Roman von Elena Poniatowska aus dem Jahr 2011 inzenierten Thor Klein & Lena Vurma diesen Film über die surrealistische britisch-mexikanische Malerin Leonora Carrington (1917-2011). 

Der Film spielt weitgehend etwa zwischen 1937 und 1950/55 in Frankreich, später Spanien und Mexico. Er beginnt mit einer Liebesbeziehung zu dem deutschen Maler Max Ernst in Frankreich, von dem sie die Inspiration übernimmt, sich auch der surrealistischen Malerei zuzuwenden. Diese Beziehung endet mit der Zwangsinternierung des Deutschen im Vorfeld des 2. Weltkriegs. 

Die Malerin (Olivia Vinall) flüchtet nach Spanien, doch sie hat dann wohl einen Nervenzusammenbruch, der zu ihrer Einweisung in eine Nervenheilanstalt führt. Der Film zeigt Folterszenen, die damals als „Behandlung“ galten, etwa mit Elektroschocks. 

Später flüchtet sie über Portugal nach Mexico. Ihre Ehen werden im Film nur kurz angerissen. Breiteren Raum haben im Film surrealistisch wirkende Fantasien der Frau, in denen beispielsweise wilde Tiere (Hyänen) durch alte Häuser schleichen und Leute anfallen. Diese Szenen haben wohl auch Bezug zu ihrem künstlerischen Schaffen, das nur sehr rudimentär dargestellt wird. 

Insgesamt kann der Film in seiner Bildgebung gefallen, wirkt aber bruchstückhaft. Film-rezensionen lobt „die dichte, zuweilen unwirkliche Atmosphäre, die der Film erzeugt“.