Donnerstag, 18. Oktober 2018

Die Seniorenresidenz

Bereits vor über 3 Wochen wurde unserer Vater in das Clara-Elisen-Stift verbracht. Es liegt nur einige 100 m weit weg von meiner Wohnung am Kartäuserwall: 


 >Sein Zimmer ist in der 1. Etage (selbstverständlich gibt es dort einen Fahrstuhl), das Fenster geht nach vorne raus. Was er ungefähr vom Fenster aus sieht, sieht man auf dem Photo, das vom Kartäuserwall aus aufgenommen ist. Halbkreisförmig am Gebäude lang und hinter dem Baum vorbei führt eine Asphaltstraße für den Anlieferverkehr und mit einigen Parkplätzen. Es ist recht ruhig, auf dem Kartäuserwall ist sowieso nicht allzu viel los. Der Baum ist ein Kastanienbaum, sein Zimmer ist ungefähr hinter dem Baumstamm. Man sieht auf dem Photo andeutungsweise auch Sitzbänkchen. Links vom Baum ist auf dem Photo der Haupteingang, dahinter gleich das Café und auf der anderen Seite folgt der begrünte Innenhof der Einrichtung.< 

Nachdem der Vater mit einem später diagnostizierten leichten Herzinfarkt in der Wohnung liegend gefunden worden ist, lag er ungefähr 3 Wochen in einem City-Krankenhaus. Es wurde nötig, ihn dort wegzubringen, da Krankenhäuser üblicherweise nicht zur Verwahrung von alten, geschwächten Leuten gedacht sind. 

Gleichzeitig konnte der Arzt allerdings nicht die Empfehlung aussprechen, ihn nach Hause zu entlassen. Dies ist sozusagen eine günstige Situation, eine andere Lösung zu finden, bei der das Krankenhaus auch bei der Suche behilflich ist – sie haben extra Leute für solche Vermittlungsaufgaben und zahlreiche Adressen für Übergangswohnheime. Diese waren alle voll, weshalb der Krankenhausaufenthalt sich so verlängerte. Aber im erwähnten und schon zuvor mal avisierten Stift starb plötzlich jemand, und ein Zimmer wurde damit frei. Und dann ging es ganz schnell (wie genau, weiss ich nicht). 

Die Einrichtung ist nichts Besonderes, kein altes Schloss oder sonstwie altehrwürdiges Gemäuer, aber aus unserer Sicht annehmbar. Er hat ein Zimmer von vielleicht 12 qm und ein etwa genauso großes, altengerecht mit Rollstuhl befahrbares Bad. Mein Bruder hat für ihn möglicherweise bedeutsame Gegenstände aus der Wohnung geholt und sein neues Zimmer damit eingerichtet (Teppiche, Bilder, diverse „Antiquitäten“). 

Tja, nun zur Frage, was der Vater von der ganzen Sache hält? Wir wissen es nicht wirklich, denn er äussert sich schon seit Jahren kaum dazu, was er denkt. Beim ersten Mal, wo ich dort war, war es trostlos, er lag nur auf dem Bett und sagte so gut wie nix und nix von Bedeutung. Beim letzten Mal war zufällig auch mein Bruder dort, und er war etwas „aufgeweckter“ und aß sogar etwas. Aber noch ist es so, dass er stark geschwächt ist, vorwiegend im Rollstuhl sitzt und höchstens zur Toilette gehen kann. 

Wir warten ab, aber es ist zumindest unser erklärtes Ziel, ihn nicht in seine alte Wohnung zu entlassen. Wir hoffen, dass er sich mit den Verhältnissen im Stift arrangiert. So eine Einrichtung mit Pflegepersonal, Zimmerservice etc. ist die einzige, brauchbare Lösung – egal, ob es nun diese oder eine andere, funktional ähnliche Einrichtung ist. Da gibt es Programm, da gibt es auch andere alte Leute. Es wäre wünschenswert, wenn er auch irgendwelche Kontakte aufbauen könnte. 

4 Kommentare:

  1. Ein sehr mutiger Bericht, der mich an die vielen Jahre der Pflege meines eigenen Vaters erinnert. Auch er wurde immer schweigsamer und war zuletzt nur noch in seiner eigenen Welt zu Hause. Antworten auf gezielte Fragen gab es keine mehr, oder nur solche die fast immer passen, oder oft benutzte Redensarten.
    So wie ich den Text verstehe haette da schon vor Jahren eine fachaerztliche Diagnose gestellt werden sollen. Vorallem sollte eines der Kinder eine Vorsorgevollmacht vom Vater mit Weisungen fuer die Zeit in der er sich nicht mehr selber aeussern kann bekommen haben. Ob das jetzt noch geht, die Zeit im Krankenhaus war da sicher guenstig, man kennt sich dort aus wie sie ja erfahren haben.
    Wie schon die Labelzuordnung zeigt, auch an sich selber sollte gedacht werden.
    Mit dieser Vorsorgevollmacht und dem jetzigen oder anderen Aufenthalt, manchmal duerfen auch einige Moebel mitgebracht werden, zumindest aber Sachen die einen gewissen Erinnerungswert haben, die Pflegebetten sind Standard der Einrichtung.
    Da ich als erstes der Kinder Rentner wurde, habe ich die Pflege meines Vaters zu Hause durchgefuehrt, ohne anfangs wirklich zu wissen worauf ich mich da eingelassen habe. Es ging an die Substanz. Die zeitweisen Betreungshilfen (Tagespflege), Pflegedieste usw. sind fuer die Minutenabrechnung viel zu teuer und eben nicht dann da wenn man sie als Angehoeriger als Hilfe braucht.
    Nun habe ich doch mehr geschrieben als ich wollte, aber wie gesagt die Erinnerung.
    hercle

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  2. Es gibt die Vorsorgevollmachten schon seit ein paar Jahren und auch fachärztliche Diagnosen, denn immerhin ist zumindestens seit einigen Monaten nun auch die Pflegestufe 3 bereits anerkannt. Ob die Diagnosen so stimmen bzw. vollständig sind, weiss ich allerdings nicht. Manchmal denke ich, dass vielleicht auch nicht ordentlich verarbeitete oder therapierte Traumata, angefangen mit dem Tod meiner Mutter vor ca. 12 Jahren und danach eine Rolle bei seiner Sprachlosigkeit spielen könnten.

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  3. Kommunikationsnotstand würde ich es nennen, dass Dein Vater mit Euch nie über dieses Thema gesprochen hat -
    NICHT angeregt durch wen auch immer.
    Das heißt er war immer mit sich allein und hat sich seine eigene Welt zurechtgezimmert. Schwierig.

    In der Seniorenresidenz gäbe es zwar die Möglichkeit andere Menschen kennenzulernen, aber.......das ist auch so eine Sache.
    Meine zweite Schwiegermutter ( Der Schwiegervater war 2 x verheiratet ) lebte in der Nähe von Wien, in den letzten Jahren auch in einem Seniorenheim. Wunderschönes Haus, traumhafte Umgebung, positive Pfleger- und Pflegerinnen, Ausflüge mindestens 1 x pro Monat mit Bus etc. etc. - ich sagte immer: wenn ich mal so alt bin und einer Pflege bedürfe, da will ich hin ;-)
    Und was machten die "alten" Leute?
    Saßen ihrer 11 rund um einen Tisch und sprachen KEIN Wort miteinander. Auf meine Frage warum keiner etwas sagt, meinten sie, sie haben schon alles erzählt, es gäbe nichts Neues und was sollten sie dann noch reden.

    Wir waren mindestens 1 oder 2 x pro Monat zu Besuch, (200 KM) immer die gleiche Situation.
    Meine Schwiegermutter war aber nicht unglücklich, sondern lebte auch in ihrer eigenen Welt voll Erinnerungen.
    Sie war vorbereitet auf das Heim.

    Das nur als Beispiel - wie man es macht oder handhabt - ist egal. Ab einem gewissen Alter, wenn man nicht immer geistig und körperlich aktiv war, ist die Freude am Leben enden wollend. ;-(
    Ausgenommen natürlich im Krankheitsfall, da erübrigt sich die Frage.

    Mir tun die Menschen leid, weil am Ende ihres Lebens die Leere fast unerträglich ist.

    LG

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  4. Ich weiss nicht, ob "die Leere fast unerträglich ist".

    Mein Vater wollte nie in ein Seniorenheim. Damals, als meine Mutter starb, war er 77 und wollte dort in der großen Wohnung einfach weiter leben und stellte sich vor, dass es ewig so weitergehen würde, bis er stirbt. Es ging dann ja auch noch ca. 6 Jahre ganz gut so weiter. Er hatte Kontakte, vorwiegend zu einigen Personen aus dem Bekanntenkreis meiner Mutter, er war mit denen zusammen auf Reisen mit etc. Mein twoday-Blog sagt mir, dass ich Ende 2012 erstmals gravierende Probleme dokumentierte; denn damals hatte er das Weihnachtsessen bei meinem Bruder vergessen. Er war also 83 Jahre alt. Aber im September 2016 waren wir anlässlich seines 87. Geburtstages im Viertel mit ihm noch Kölsch trinkend unterwegs.

    Aber es ging danach weiter stetig und schneller bergab, geistig und körperlich - und jetzt, 2 Jahre später, ist die "Seniorenresidenz" eben nur noch die einzig sinnvolle Möglichkeit.

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